Bessere Teamkultur: Gewohnheiten entwickeln, mit denen das Team glänzt
Kultur contra Kreativität
Wusstet ihr, dass Kultur der Kreatvitätskiller im Unternehmen ist? McKinsey hat dazu 2016 eine Umfrage gemacht, die nahelegt, dass „cultural and behavioral challenges“ in jeder dritten Firma das größte Hindernis für digitale Innovationsfähigkeit sind. Heute ist das wahrscheinlich relevanter als je zuvor; denn immer mehr Organisationen schauen auf Frameworks wie Lean Startup, Agile oder Design Thinking, um in der Wertschöpfung neue Wege zu gehen. Diese Frameworks bedeuten allerdings Kreatives Arbeiten. Dafür ist aber notwendig, mehr als „nur“ den Prozess zu ändern.
Meistens erfordern oben genannte Methoden neue Verhaltensweisen, die von den vorher gelernten Mustern in der Organisation abweichen. Bei der Einführung von Designprozessen steht man also vor Verhaltensänderungen, die oft ziemlich schwierig sind. Um genau das einfacher zu machen, habe ich deshalb eine Methode entwickelt, mit der Teams einfacher neue Gewohnheiten in der Zusammenarbeit entwickeln können. Sie basiert größtenteils auf BJ Fogg’s Tiny-Habits-Methode, angewandt auf kulturelle Besonderheiten der Teamarbeit. Glücklicherweise konnte ich die Methode vor der Pandemie auch schon in einer Reihe von Workshops testen. Und heute habe ich endlich Zeit, euch hier ein paar Hinweise zu geben, wie ihr sie selbst ausprobieren könnt.
Teamkultur und Verhaltensmuster
Können wir unser Verhalten ändern? Und zwar gemeinsam?
Aus meinen älteren Beiträgen wisst ihr vielleicht schon, dass ich mich für Verhaltensökonomie und Teamdynamiken sehr interessiere. Zusammenarbeit basiert nicht nur auf bewusster (Inter-)Aktion, sondern auch ganz stark auf Verhaltensweisen, die wir „auf Autopilot“ ausführen. Im „Autopilot“ zu agieren ist für uns dabei weit weniger anstrengend, als bewusst zu handeln, weshalb auch in der Teamarbeit unsere unbewussten Handlungsmuster den Ton angeben. Hier ein paar Beispiele, die ihr vielleicht vielleicht sogar selbst aus eurer Arbeit kennt: Leute, die unvorbereitet zum Meeting erscheinen; gedankenloses oder sogar destruktives Feedback im Gespräch; eine vage Entscheidungskultur mit unklaren Verantwortlichkeiten. Um solche Muster zu ändern, müssen wir beim zugrundeliegenden Verhalten ansetzen; und hier kommt das Thema Gewohnheiten (aus dem Englischen bei Fogg: „Habits“) ins Spiel.
BJ Fogg’s Verhaltensmodell und eine Methode, mit der wir unsere Gewohnheiten ändern
Interaktion ändern heißt Gewohnheiten ändern.
Bevor wir uns die Methode anschauen, lasst uns erstmal das Thema Verhalten klären. Was folgt, basiert weitgehend auf der Arbeit von BJ Fogg. Sein Verhaltensmodell ist eine der grundlegenden Arbeiten im aktuellen Behavioral Design. Fogg schlägt ein Modell vor, das er mit der metaphorischen Formel „B = MAT“ beschreibt. Dies soll bedeuten: Verhalten (B=“Behavior“) entsteht, wenn ein auslösendes Ereignis (T=“Trigger), unsere Motivation (M=“Motivation“) und unsere Fähigkeit (A=“Ability), das Verhalten auszuführen, in der richtigen Weise zusammenspielen. Wenn der gleiche Auslöser uns immer wieder das gleiche Verhalten ausführen lässt, können wir das als Gewohnheit bezeichnen.
Laut Fogg können wir ein gewünschtes Verhalten wahrscheinlicher machen, indem wir es einfacher machen; denn, wenn es einfacher ist, liegt es wahrscheinlicher im Bereich unserer Fähigkeiten. Denkt zum Beispiel an das Ausmisten der Garage: Definitiv mühsam und erfordert eine Menge Motivation. Aber sich bloß dazu zu bringen, sich bei eingeschaltetem Licht in die Garage zu stellen, ist einfach; und doch ist man dann in der perfekten Ausgangsposition, um die ursprüngliche Absicht tatsächlich auszuführen.
Fragen für das Arbeitsumfeld
Für die Arbeit können wir nun die Beispiele von weiter oben heranziehen. Stellen wir uns beispielsweise ein fiktives Team in einer fiktiven Firma vor, in dem die Leute sich nie auf ihre Meetings vorbereiten. Das schadet dem Meeting zwar am Ende nicht (sichtbar), aber natürlich wäre es viel besser, wenn alle vorbereitet alle vorbereitet wären. Weiteres Beispiel: Ein Team wird gebeten, neue Ideen zu entwickeln, was allerdings vor allen den eher analytischen Teammmitgliedern schwer fällt. Bald entsteht eine Feedback-Schleife, in der jede Idee mit Bedenken und Einwänden abgeschossen wird. Die allgemeine Stimmung verschiebt sich von einem kreativen „Wie könnten wir?“ zu einem kritischen „Das wird nicht funktionieren…“
In beiden Beispielen ist die Frage: Können wir im Team Gewohnheiten entwickeln, die die Zusammenarbeit verbessern? Wenn ja: Wie bewerkstelligen wir das, insbesondere, wenn die Gewohnheit, die wir brauchen eher nicht unserem Naturell entspricht?
Gewohnheiten ändern in der Praxis
Gewohnheiten ändern: eine neue Methode, mit der das Team „glänzt“
Foggs Antwort zur Aneignung von Gewohnheiten ist ein Prozess mit ganz einfachen Schritten: Wir überlegen uns zuerst eine Situation, in der wir uns auf eine bestimmte Art Verhalten möchten; dann unterteilen wir das gewünschte Verhalten in kleinere Einzelschritte, mit denen wir beginnen können; wir üben, uns solcher Situationen bewusst zu sein, wenn sie auftreten, und beginnen mit dem einfachsten, ersten Schritt unseres neuen Verhaltens. Am Ende belohnen wir uns mit einem mentalen Trick, der hilft, unsere Reaktion zur Gewohnheit werden zu lassen. Wenn das von selbst kommt (und das wird es) sind wir fertig.
Da das recht vage klingt, habe ich euch ein Beispiel vorbereitet.
Dopamin macht den Unterschied
Das obige Muster hilft uns, unser Gehirn umzuprogrammieren, weil es die Energie reduziert, die wir benötigen, um mit dem neuen Verhalten zu beginnen. Das ist ganz ähnlich wie bei der Entwicklung eines „Minimum Viable Product“: Man fängt nicht mit dem kompletten Produkt an, sondern baut etwas, das erstmal den Ball ins Rollen zu bringt. Da unser Gehirn nicht zuletzt die Tendenz hat, bereits begonnene Aufgaben zu Ende zu führen, funktioniert das gut für uns.
Eine meiner Lieblingsideen in Foggs Arbeit ist, wenn er sogar seine eigene Emotion erfindet: „Shine“. Auf deutsch heißt das „Glänzen“ oder „Strahlen“. Er definiert „Shine“ als „das Gefühl, das man hat, wenn man eine Eins im Test hat“. Dieses „Shine“ wollen wir fühlen, wenn wir unsere neue Gewohnheit ausführen. Wenn wir durch unsere kleine Zeremonie das Verhalten mit positiven Emotionen aufladen, werden wir es nämlich öfter tun. Beim Erlernen eines Verhaltens dreht sich alles um Dopamin. Daher fügen wir eine Belohnung wie ein kleines Tänzchen, ein Lächeln oder einen Faustschlag zu unserem „Wenn… dann…“-Muster hinzu. Ergebnis: Das neue Verhalten ist keine Last mehr, sondern wir wollen es. Gemäß Fogg’s Modell erhöhen wir also die Motivation.
Aneignen guter und kreativer Innovationspraktiken
So wendet ihr die Methode für die Arbeit an
Ich glaube, dass im Kontext eines jeden kreativen Prozesses Faktoren wie Teaminteraktionen, eine Harmonisierung der Erwartungen und psychologisches Wohlbefinden die wesentliche Grundlage für die wertvolle praktische Arbeit sind. Genau hier sind Methoden wie die oben genannte hilfreich: Wir können damit bewusst neue Verhaltensweisen einführen, die wiederum Kreativität und Zusammenarbeit aktiv fördern.
In diesem Sinne könnt ihr jetzt überlegen: Wäre es eine Idee, euer Team zusammenzubringen und darüber nachzudenken, wie ihr miteinander arbeitet bzw. arbeiten wollt? Ihr könntet das If-Then-Pattern benutzen, um Verhaltensweisen zu finden, die ihr als Team wertvoll findet; dann nehmt ihr oben beschriebenen Prozess, macht ihre Aneignung einfacher und etabliert sie im Team, bis sie zur Gewohnheit werden. Probiert das gerne mal aus und lasst mich wissen, wie es gelaufen ist. Oder, wenn ihr mehr wissten wollt, meldet euch gerne bei mir.
Autor
Tim Heiler ist Design Director bei Iconstorm. Wenn ihr mehr über seinen Workshop oder digitales Design bei Iconstorm im Allgemeinen wissen wollt, meldet euch gerne bei ihm.