Design in Tech Report 2018

Design, Code und Inklusion: John Maedas Design in Tech Report 2018

Original portrait by Helena Price (some rights reserved) licensed under licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.

Seit 2015 tritt Maeda auf der SXSW auf, um mit seinem Design In Tech Report zu analysieren, mit welchen technologischen Herausforderungen die Designbranche sich beschäftigen muss. Da der Report dieses Jahr einige interessante Überschneidungen zu unserer Arbeit aufwies, gehörte er dieses Jahr zu unseren Highlights und wir wollen ihn hier nochmal näher besprechen.

 

Computational Designer und Meaningful Results

John Maeda bewegt sich als Designer und Informatiker zwischen zwei Welten, die seiner Meinung nach zusammengehören: Technologie und Design. Der Head of Design and Inclusion bei Automattic – das Unternehmen ist bekannt für die Blogging-Software WordPress – stellte schon früh Überlegungen an, wie man die beiden enger verknüpfen könnte. Als einer der ersten Designer beschäftigte er sich mit dem Programmieren und hinterfragte Design als Disziplin: Wo fängt es an? Wo hört es auf?

Maeda ist der Meinung, Designer sollten sich intensiver mit dem Thema Technologie beschäftigen. Nach seinem Duktus sollen sich Designer vom der visuellen Gestaltung lösen (das bald sowieso von künstlichen Intelligenzen erledigt wird) und zu dem werden, was er „Computational Designer“ nennt. Das sind Designer, die an die Themen Business, Technologie und Design zusammenbringen und in dieser Gemengelage neue Lösungen kreieren. Bei Design gehe es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Marktrelevanz und „meaningful results“.

Diese Forderung ist zwar einerseits notwendig, aber gleichzeitig ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist es selbstverständlich, sich als Designer mit Technologie zu beschäftigen, wenn man damit arbeiten möchte. (Es geht ja eigentlich nicht anders!) Allerdings ist es auch eine Frage der Praktikabilität: Denn, sich auch noch mit dem Thema Code auseinanderzusetzen, würde einem ohnehin schon weitem Berufsfeld noch mehr Bandbreite hinzufügen. Und da es hunderte Programmiersprachen gibt und ständig neue hinzukommen, ist eine Frage, ob dieses Unterfangen überhaupt leistbar ist.

 

Künstliche Intelligenz in der Designbranche

Hinzu kommt, dass die technologische Entwicklung ständig mit Neuem um die Ecke kommt. Der Computational Designer wird in den nächsten Jahren also viel Arbeit haben. Als die Nummer 1 unter den Top 10 Emerging Trends derzeit identifiziert Maeda diesbezüglich das Thema AI und Machine Learning. Und auch die weiteren Ränge seiner Liste sind gefüllt mit Themen, die davon tangiert werden.

Für die Designbranche wird das zu Veränderungen führen: Durch die Möglichkeiten der AI entstehen neue Design Tools, Aufgaben lassen sich automatisieren und wir können nun Muster in großen Datenmengen so visualisieren, dass sie auch für uns Menschen verständlich und sichtbar werden. (Maeda nennt hier das mittlerweile beendete Many-Eyes-Projekt von IBM, ähnliche Services gibt es mittlerweile zu Hauf und kostenlos im Netz.) Maeda nennt eine Statistik, nach der 88 Prozent aller Designer glauben, dass es noch fünf Jahre dauert, bis die meisten Visual Design Jobs durch KI ersetzt werden. Ob Websites, Maschinen, Mode oder Möbel können Computer mittlerweile weit mehr gestalten, als „nur“ Bilder.

 


Überblick zu IBMs Many Eyes Projekt

Seine Message in diesem Zusammenhang lautet: Designer sollen sich mit dieser neuen Technologie intensiv beschäftigen. Das ist Teil von Maedas zentraler Botschaft: Der Entwicklung des Klassischen Designers zum Computational Designer, der seinen beruflichen Erfahrungsschatz nutzt, um mit neuer Technologie zu arbeiten. Er kann programmieren und Technologie einsetzen um die „Meaningful Results“ zu erreichen, von denen Maeda spricht.

„Design isn’t just about beauty; it’s about market relevance and meaningful results.“ Johne Maeda, Design in Tech Report 2018

 

Meaningful Results = Meaningful Innovation?

Maeda zieht den Schluss, dass sich durch die Automatisierung der Job von Designern verändern sollte – statt zu verschwinden. Das sehen wir ganz ähnlich. Auf jeden Fall hat der Designer durch die Automatisierung nun mehr Zeit, die er in andere Aufgaben investieren kann. Aber sollte er Maedas Weg zum Computational Designer beschreiten? Sich zum Beispiel mehrere Programmiersprachen aneignen und in der Tiefe mit künstlicher Intelligenz befassen? Das sehen wir ein bisschen anders.

Denn Innovation findet grundsätzlich im Kontext von drei Dimensionen statt. Auf zwei davon, Technology und Business, soll sich nun der Computational Designer konzentrieren. (Das ist in der Tech-Branche weißgott nicht unüblich.) Was dabei aber an den Rand gedrängt wird, ist der sogenannte Human Context, also die Lebenswelt und die tatsächlichen Wünsche der Nutzer. Allzu häufig wird der bei Innovationsprojekten in Unternehmen ignoriert. Dabei ist gerade er es, anhand dem man überprüfen kann (und muss), ob die Umsetzung einer Idee tatsächlich sinnvoll ist.

Wir haben das Thema schon einmal am Beispiel UX-Design behandelt: Wirklich wertvolle Innovationen entstehen eben nicht, wenn wir uns in erster Linie auf Technologie (und Business) fokussieren. Denn genau dadurch laufen wir Gefahr, uns selbst zu beschränken. Wir fokussieren uns auf das Thema Bedürfnisbefriedigung (das funktioniert ja einfach so gut mit AI!) und vergessen es, wichtige strategische Fragen zu stellen. Denken Sie zum Beispiel an das Geschäftsmodell von Facebook – und welche Rolle die Nutzer in diesem spielen. Ist dass wirklich nachhaltig? Und ist es sinnvolle Innovation, also Meaningful Innovation?

Wir denken, es ist heute der Job von Designern, alle drei Dimensionen zusammenzubringen: Business, Technology und Human Context gleichwertig zu integrieren. Denn dadurch entsteht nachhaltige Innovation, die allen Beteiligten Nutzen bringt. Das Zusammenfügen dieser Dimensionen sollte der Kern der Expertise von Designern sein – und durch die Automatisierung, haben sie ja Zeit dafür, sich damit auseinanderzusetzen. (Und dafür – da hat Maeda nicht Unrecht – sollten sie sich dauch mit den Technologien befassen, mit denen sie arbeiten.)

 

Links zum Design in Tech Report 2018

Falls Sie es genauer wissen wollen, haben wir hier ein paar Links zu Maedas diesjährigem Talk für Sie zusammengestellt. Der umfasste nämlich neben dem Thema Technologie, auf das wir hier den Fokus gelegt haben, noch einige weitere interessante Aspekte. Zum Beispiel haben wir hier ein Thema, das Maeda „Inclusive Design“ nennt, komplett ausgespart. (Wir finden, dass es demnächst einen eigenen Artikel verdient hat.) In diesem Sinne ist ein Blick in die Präsentation absolut lohnenswert!

 

Website zum Design in Tech Report – mit der kompletten Präsentation

https://designintech.report/

John Maedas Notizen zum diesjährigen Report

https://www.linkedin.com/pulse/2018-designintech-report-overview-from-sxsw-john-maeda

John Maeda auf YouTube

https://www.youtube.com/channel/UC3uDXbTHTRrrI-xjVnzh17w

Tech Analyst Ken Yeung über Inclusive Design auf TheLetterTwo

http://blog.thelettertwo.com/2018/03/10/making-the-case-for-why-inclusion-is-good-for-design-in-tech

Co.Design zu menschlichen Skills in einer AI-dominierten Welt

https://www.fastcodesign.com/90163779/the-most-important-design-skill-for-an-ai-dominated-world

Unser persönlicher Rückblick zur SXSW 2018

https://iconstorm.com/sxsw-rueckblick-jochen-denzinger/