Digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln steht für viele Unternehmen heute weit oben auf der Agenda. Zum Glück muss dafür das Rad nicht neu erfunden werden: Den bekannten erfolgreichen Modellen liegen nämlich wiederkehrende Muster zugrunde, die man auf das eigene Unternehmen anwenden kann. Wir zeigen 10 passende Muster und wie sie bereits genutzt werden.
Digitale Transformation und neue Geschäftsmodelle
Die Digitale Transformation führt dazu, dass sich Märkte grundlegend verändern. Um anpassungsfähig zu bleiben, ist es heute wichtig, das eigene Geschäftsmodell mit seinen Mechaniken auf den Prüfstand zu stellen und vorbehaltlos zu hinterfragen. Märkte sind in unserem Verständnis Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden. Und zur Gestaltung dieser Beziehungen eröffnen sich durch die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten und Denkansätze. Neue Distributionswege, Bezahlmodelle oder zusätzliche Revenue Streams durch neue Services sind mittlerweile – durch ihre breite Anwendung sowohl im b2b als auch im b2c – allgemein akzeptiert.
Da bisher nur wenige Unternehmen diese Möglichkeiten voll ausschöpfen, liegen hier oft Chancen, die Beziehung zum eigenen Kunden besser an dessen (veränderte) Bedürfnisse anzupassen. Wer im eigenen Unternehmen Prozesse und Denkweisen etabliert, die die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, zu den Leadern der eigenen Branche zu gehören. Oder zumindest für eine mögliche „Disruption“ des eigenen Marktes durch Dritte gut aufgestellt zu sein.
Zur Weiterentwicklung von Businessmodellen ist es dabei nur selten notwendig, das Rad völlig neu zu erfinden. Wenn Sie so etwas planen, können Sie vielmehr sogar auf existente Muster zurückgegreifen, die den heute erfolgreichen Geschäftsmodellen zugrunde liegen. Wir haben hier 10 Muster für Sie zusammengestellt, deren Anpassung für andere Kontexte interessant sein könnte.
Digitale Geschäftsmodelle: 10 Muster mit Beispielen
Die folgenden Geschäftsmodellmuster eignen sich besonders für eine Anwendung im digitalen Kontext. Sie finden sich unter 55 Mustern von Geschäftsmodellen, die im Business Model Navigator systematisiert wurden. Versuchen Sie einmal, die zugehörigen Fragestellungen aus unserem Methodenkasten auf ihr eigenes Unternehmen anzuwenden.
Beispiel 1: Free
„Free“: Bei diesem Muster bietet ein Unternehmen sein Kernprodukt kostenlos an. Das klang früher vielleicht etwas abenteuerlich, aber heute gibt es mit Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken viele prominente Beispiele dafür. Getreu dem bekannten Satz: “If you are not paying for the product, you are the product” stellen sie ihre Funktionen den Nutzern völlig kostenlos zur Verfügung, während sie dafür deren Daten monetarisieren.
Allerdings braucht man zur Realisierung dieses Musters nicht gleich eine Suchmaschine: Ein anderes erfolgreiches Beispiel dieses Musters war etwa das Mobile Game Angry Birds; es ist bis heute völlig kostenlos und unheimlich weit verbreitet. Verkauft wird dafür jede Menge Merchandise und die Lizenz an den zornigen Vögeln wird für Kinofilme und Brettspiele vergeben. Diese Produkte subventionieren das kostenlose Spiel, dessen weite Verbreitung wiederum ihren Verkauf ankurbelt. Ähnlich verfahren auch viele Bands, die ihre Musik zunächst kostenlos verbreiten, dann aber Geld über Konzerttickets verdienen. Das Muster habe ich bereits in einem älteren Blog Post ausführlicher durchleuchtet.
Fragen Sie sich:
How can we make turnover when we offer our core product for free? Iconstorm
Beispiel 2: Freemium
„Freemium“: Das Kunstwort Freemium hat es heute in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Bei diesem Muster wird eine Basisversion des Produktes kostenfrei angeboten, eine Premiumversion mit Zusatzfunktionen können Nutzer dann dazukaufen oder abonnieren. Es gibt einige äußerst bekannte digitale Geschäftsmodelle zu diesem Muster, etwa bei Dropbox, Spotify oder LinkedIn.
Dropbox zum Beispiel stellt als Filehosting-Dienst jedem Nutzer, der sich registiert, kostenfrei zwei Gigabyte Cloud-Speicherplatz zur Verfügung. Die kann man ohne weitere Verpflichtung und unbefristet nutzen. Wenn der Speicherplatz einmal nicht mehr ausreicht, kann man diesen gegen eine monatliche Gebühr erhöhen oder etwa im Rahmen von Firmenpaketen weitere Nutzer hinzubuchen. Die kostenfreie Basisversion erhöht Nutzerzahl und Bekanntheitsgrad, während die Abonnements (siehe Subscription) wiederkehrende Einnahmen generieren. Free und Freemium eignen sich besonders für digitale Produkte wie Software-as-a-Service, da deren Distribution auf digitalem Weg mit geringeren Kosten verbunden ist als die physischer Produkte.
Fragen Sie sich:
How can we provide a free basic service and charge for premium services? Iconstorm
Beispiel 3: Subscription
„Subscription“: Abonnements kennen wir aus dem Medienbereich und durch das Internet haben sie sich zu einem weit verbreiteten Bezahlmuster entwickelt. Vor allem für Software, im Rahmen von Streaming-Diensten oder andere Services, die wiederholt durch Kunden in Anspruch genommen werden, bietet sich dieses Muster an. Bekannt ist es von Unternehmen wie Netflix und Software-Anbietern wie Salesforce oder Adobe, die die Nutzung ihrer Inhalte respektive ihrer Software gegen einen monatlichen Betrag ermöglichen. Dennoch ist es gar nicht zwingende Voraussetzung, ein digitales Produkt anzubieten, um von diesem Muster Gebrauch zu machen.
So hat zum Beispiel auch der Werkzeughersteller Hilti, dessen Flottenmanagement wir uns vor Kurzem genauer angeschaut haben, ein Subscription-Modell – hier allerdings für die Bereitstellung physischer Produkte. Für Kunden hat das den Vorteil, die Leistung nicht ständig erneut kaufen zu müssen, sondern im Rahmen planbarer Zahlungen von meist überschaubaren Beträgen dauerhaft Zugriff darauf zu haben. Auch für den Anbieter der Subscription erhöht das die Planbarkeit, denn die Akquise von Nutzern fällt häufig damit zusammen, dass diese sich über einen längeren Zeitraum an die Leistung binden. Diese Bindung kann natürlich durch das Angebot und Vertragsmodalitäten nochmals erhöht werden. (siehe auch Beispiel 4: Lock-in)
Fragen Sie sich:
How can we provide a free basic service and charge for premium services? Iconstorm
Beispiel 4: Lock-in
„Lock-in“: Kunden werden – oft im Zuge einer Subscription – an ein Produkt gebunden, indem die Kosten für einen Ausstieg oder Wechsel gesteigert werden. Dabei kann es sich um zeitliche, finanzielle oder anderweitige Kosten handeln. Ein weltbekanntes Beispiel dafür ist Apple, dessen proprietäres Produkt-Ökosystem aus Plattform und Hardware einen Umstieg auf Konkurrenzprodukte extrem aufwendig macht.
Eine „weichere“ Möglichkeiten, die Kosten einer Kündigung zu erhöhen findet sich bei Amazon Prime: Mit dem Angebot erhält man sehr viele Vorteile, unter anderem bessere Versandbedingungen, den Zugang zu Streamingdiensten für Serien, Filme und Musik, einen unbegrenzten Cloud-Service für Fotos, privilegierten Zugriff auf bestimmte Angebote sowie exklusive Artikel. All diese Vorteile würden bei Nichtverlängerung oder Kündigung des Services wegfallen und könnten nicht weiter genutzt werden. Weitere Möglichkeiten, die Ausstiegskosten zu erhöhen ergeben sich über die Vertragsmodalitäten (was allerdings nicht immer der kundenfreundlichste Weg ist.)
Fragen Sie sich:
How can we force customer loyalty by high changing costs? Iconstorm
Beispiel 5: Solution Provider
„Solution Provider“: Das Unternehmen verkauft nicht nur ein Produkt, sondern bettet es in eine Gesamtlösung ein, die möglichst alle Aufgaben und Probleme rund um das Produkt löst. Ein bekanntes Beispiel aus Deutschland ist das Unternehmen Heidelberger Druckmaschinen: Rund um die Maschine werden dort Monitoring- und Beratungsleistungen angeboten, die den Kunden helfen, ihre Druckprozesse zu optimieren. Dieses Rundum-Sorglos-Paket führt dazu, dass es für Kunden eigentlich gar keinen Grund mehr gibt, sich nach Alternativen umzuschauen.
In diesem Zusammenhang werden viele neue Services durch digitale Technologien wie intelligente Maschinen, Datenanalytik und Remote Support erst möglich. Und was die Geschäftsmodellinnovation in der Digitalisierung angeht, ist Heidelberger übrigens eines der Vorzeigebeispiele aus Deutschland – ein Blick auf das Vorgehen des Unternehmens kann damit sehr lehrreich sein.
Fragen Sie sich:
How can we provide a complete solution to our clients? Iconstorm
Beispiel 6: Rent instead of buy
„Rent instead of buy“: Hier verkauft das Unternehmen ein Produkt nicht, sondern gewährt Kunden gegen einen kleineren Betrag zeitlich limitierte Nutzungsrechte. Das generiert potenziell mehr Einnahmen als ein einmaliger Verkauf. Gleichzeitig haben die Kunden den Vorteil, dass sie keine großen Investitionen tätigen müssen, um das Produkt zu nutzen.
Bekannt ist das Muster von Diensten wie Car2Go: Hier wird ein physisches Produkt (ein Auto) nicht für jeden Einzelkunden jeweils einzeln hergestellt. Stattdessen machen viele Nutzer zeitlich gestaffelt davon Gebrauch. Die Nutzung selbst wird über eine Online-Plattform, in diesem Fall eine App, koordiniert.
Fragen Sie sich:
How can we offer limited usage rights instead of a product? Iconstorm
Beispiel 7: Long-Tail
„Long-Tail“: Statt weniger “Blockbuster”-Artikel werden bei diesem Muster massenweise Nischenprodukte für kleine Beträge verkauft. Das Muster taucht zum Beispiel bei Diensten auf, bei denen Sie Domain-Namen registrieren können, oder bei Services wie iTunes, bei denen man einzelne Songs für Euro- oder Cent-Beträge ersteht. Dieses Modell, das beim Verkauf physischer Produkte eine große räumliche Lagerfläche beansprucht, wird beim Handel mit digitalen Produkten besonders interessant; denn die erfordern ja nur Speicherplatz.
Ein weitere gutes Beispiel für das Modell sind Jobbörsen wie Stepstone oder indeed. Auf diesen Plattformen (siehe Platform Business) kaufen Unternehmen die Veröffentlichung individueller Stellenanzeigen; jedes „Produkt“ wird also genau einmal verkauft. Gleiches gilt für bekannte Portale wie eBay, wo Millionen punktueller Handelsbeziehungen gegen einen Kleinstbetrag, den die Verkäufer dort zahlen müssen, bereitgestellt werden.
Fragen Sie sich:
How can we sell small niche products in large numbers? Iconstorm
Beispiel 8: User Designed
„User Designed“: Bei diesem Muster lagern Unternehmen kreative Arbeit an Ihre Kunden aus: Diese bekommen die Möglichkeit, Produkte selbst zu gestalten. So lässt beispielsweise Spreadshirt, ein Online-Shop für T-Shirts, seine Nutzer eigene Designs für deren Kleidungsstücke entwerfen und auch auf der Plattform verkaufen. Damit wird der Shop ohne weiteren Aufwand des Anbieters mit einer Vielzahl kreativer Ideen gefüllt.
Über eine Online-Plattform funktioniert das deshalb gut, da hier zentral und automatisiert – und damit ohne viel Zeit- und Personalaufwand – Ideen aufgenommen werden können; außerdem lassen sich diese Ideen am Bildschirm auch besser visualisieren, als am Telefon. Weiterer Vorteil: Während die Kunden dem Unternehmen quasi Arbeit abnehmen, bekommen sie dabei noch ein gutes Gefühl. Denn die kreative Arbeit, die sie in das Shirt stecken, wertet es in ihren Augen sogar auf. (Stichwort: Ikea-Effekt) Weitere Beispiele für das Muster finden sich bei Online-Möbelhändlern wie MYCS oder auf Plattformen wie Quirky.
Fragen Sie sich:
How can we make the customer invent and sell their products? Iconstorm
Beispiel 9: Orchestrator
„Orchestrator“: Unternehmen konzentrieren sich bei diesem Muster auf ihre Kernkompetenzen, während andere Aktivitäten an Experten oder Dienstleister abgegeben werden. Besonders im Online-Bereich existieren etwa Cloud Services, IT-Dienstleister, Agenturen oder Infrastrukturanbieter, die viele Probleme lösen können, wenn intern Know-how oder Ressourcen nicht vorhanden sind. Dabei werden Partner und Dienstleister aktiv koordiniert, was durch digitale Kommunikationsmöglichkeiten heute deutlich einfacher ist.
Fragen Sie sich:
How can we outsource everything except our core competence? Iconstorm
Beispiel 10: Platform Business
„Platform Business“: Plattformstrategien gehören zu den erfolgreichsten Mustern der digitalen Wirtschaft. Sie bringen auf einer Plattform unterschiedliche Nutzergruppen zusammen, die dort miteinander interagieren. Suchmaschinen wie Google verkuppeln ihre Nutzer, mit Werbekunden sowie Anbietern von Internetseiten. Eine Plattform wie eBay fungiert als Marktplatz für Käufer und Verkäufer. Über Technologien wie die Blockchain wird dieses Muster auch für den Energiemarkt oder für Finanztransaktionen denkbar.
Je mehr Teilnehmer eine solche Plattform nutzen, desto interessanter wird sie und zieht im Umkehrschluss noch mehr Nutzer an. Und auch im Kleinen kann dieses Modell durchaus funktionieren, solange es füreinander relevante Akteure zusammenbringen. So können zum Beispiel auf der Website houseplans.com Architekten standardisierte Baupläne listen lassen, die dann Interessenten für einen Bruchteil des Preises, den ein individiueller Plan kosten würde, kaufen können. Ein weiteres Beispiel ist SAP, das mit der eigenen SAP Community ein Netzwerk an Foren, Blogs und Wikis in verschiedenen Sprachen anbietet, in denen Mitarbeiter und Nutzer sich über die Produkte austauschen und sich gegenseitig bei Problemen helfen. Durch den User Generated Content wird der Kundensupport unterstützt. Beide Plattformen reichen bei Weitem nicht an die Nutzerzahlen von Facebook oder Google heran, sind aber durch die thematische Fokussierung trotzdem erfolgreich. Ähnlich eingegrenzt ist es denkbar, Menschen in der Region, in der ein Unternehmensstandort sitzt, über eine Plattform zusammenzubringen.
Fragen Sie sich:
How can we bring market partners together on a platform? Iconstorm
Geschäftsmodelle entwickeln mit Strategic Design: Mehr in unserem White Paper
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Digitale Geschäftsmodelle und Innovation: Überlegtes Vorgehen ist das A & O
Wie Sie an den Beispielen sehen, liegen diesen Muster eigentlich relativ einfache Mechaniken zugrunde. Die Kunst bei der Geschäftsmodellinnovation ist es demnach, nicht etwas völlig Neues zu erfinden, sondern die für das eigene Unternehmen geeigneten Muster zu finden und geschickt zu kombinieren. Daraus können Sie viele Impulse ziehen, mit denen Sie das vorhandene Modell weiterentwickeln können. Im Beratungsprozess identifizieren wir systematisch diejenigen Muster, die dem Unternehmen die besten Entwicklungsimpulse geben. Das klingt zwar auf dem Papier einfach, ist aber insofern komplex, als dass in den Mechaniken eines Geschäftsmodells immer auch strategische und wirtschaftliche Implikationen stecken.
Geschäftsmodellinnovation ist also mit einem gewissen Maß an Ungewissheit verbunden. Unsere Beratung ist daher zweistufig: Wir bilden gemeinsam mit unseren Kunden Innovationsteams und konfrontieren die identifizierten Innovationspotenziale aus dem Suchfeld „Businessmodell“ mit dem Faktor Mensch und dem Faktor Technik. Dabei ist aber eines sicher: Gerade auf der Suche nach digitalen Geschäftsmodellen ergeben sich immer wieder überraschende Möglichkeiten für Innovation.
Nachhaltiges Business Design
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