a conference on a different future

Rückblick: The House of Beautiful Business in Lissabon

Das House of Beautiful Business ist eine einwöchige Pop-up Community, bei der sich Teilnehmer aus allen Gesellschaftsbereichen zu den Beziehungen zwischen Mensch, Wirtschaft und Technologie austauschen. Vom 3. bis zum 9. November 2017 fand die Veranstaltung in Lissabon zum zweiten Mal statt, parallel zur Eröffnung des Lisbon Web Summit.

Wenn Organisator Tim Leberecht so etwas über das Event tweetet wie: „Back home […] and trying to understand what just happened„, dann ist das keine der üblichen Marketing-Floskeln. Ich hatte das Glück, am größten Teil des sechstägigen Programms des House of Beautiful Business teilnehmen zu dürfen. Und, wie viele andere Teilnehmer, war es für mich eine profunde Erfahrung; eine Woche mit einem intensiven Programm und einem tiefen gedanklichen Austausch. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie können wir die Wirtschaft schöner machen? („How to make business more beautiful?“)

 

Nein zum Hype, Ja zu den Menschen

In Lissabon ging es nicht etwa um Wirtschafts-Buzzwords wie Wachstum, Start-ups oder Kapital. Es ging um die Menschheit. Deshalb war es auch kein Zufall, dass eine der Cornerstone Sessions am Samstag den treffenden Titel trug: „Next Startup: Humanity“. (Hier das komplette Programm zum nachlesen.)

Das sorgsam kuratierte Programm hielt eine Balance zwischen Technik, Künsten und Geisteswissenschaften und auch die Menschen, die sich in Lissabon trafen, kamen aus unterschiedlichsten Wirtschafts- und, vor allem, Lebenslagen. Es trafen sich Unternehmer, Psychologen oder Biologen mit Tänzern, Künstlern, Designern. Und das Ergebnis war ein weltoffener, toleranter, ein herzlicher und reflektierender Austausch.

Die dänische Künstlerin Helene Lundbye Petersen läd zu ihrem WhitePageProject ein.

Austausch auf dem Balkon des Palácio da Rocha do Conde de Óbidos, in dem die Konferenz stattfand.

 

Denkanstöße

Mit derart vielseitigen Gästen und einem Hochgeschwindigkeitsprogramm inklusive Mitternachtssessions, kreierten wir auf der Konferenz jede Menge interessante Punkte, die verbunden werden wollten. In vielen Sessions ging es dabei nicht nur um rein sachlichen Austausch und Faktenwissen, sondern auch darum, persönliche Erfahrungen daraus erwachsen zu lassen. In den weiteren Absätzen will ich versuchen, das Spotlight auf einige der wichtigsten Diskussionen des House of Beautiful Business zu werfen.

 

Artificial Intelligence

Die kleinen und großen Möglichkeiten künstlicher Intelligenz

Das Start-up x.ai beschäftigt sich mit exakt einem Use Case für künstliche Intelligenz: Es geht darum, einen AI-Assistenten via E-Mail meine Terminplanung managen zu lassen. Sicher bringt das jede Menge Zeitersparnis mit sich. Man müsste nicht mehr lange hin und her schreiben und Kalender checken, sondern bekäme automatisch den idealen Termin. x.ai CEO Dennis Mortensen schilderte eine Vision, in der personalisierte, cloud-basierte Assistenten zu essenziellen Business-Lösungen werden, indem sie alle unsere Routinearbeiten automatisch ausführen. Selbst die komplexeren Arbeiten, die allerdings einen geringen Wert produzieren könnten von einem Bot übernommen werden. (Man denke an die Aufgabe, ein Meeting mit drei Parteien, von denen sich manche auf der Durchreise befinden, automatisch zu organisieren.)

Werden künstliche Intelligenzen auf diese Weise die Welt erobern? Womöglich nicht. Denn Software wie diese müsste in der Lage sein, unsere persönlichen Verhaltensmuster in der Tiefe nachzuahmen. Die Assistenten würden unser Verhalten wirklich verstehen und darauf trainiert, für uns Entscheidungen zu treffen, die einerseits effizient sind, andererseits unsere persönlichen Vorlieben treffen. Sie könnte darauf achten, dass unsere Meeting-Termine auch unsere biologischen Bedürfnisse berücksichtigen (z.B. Jetlag) Wir wären in Zukunft rund um die Uhr verbunden mit individuell trainierter Software, die uns im Alltag helfen soll. Wenn wir den Gedanken weiterspinnen, könnte AI basierend auf unserer DNA auch genau die Geschäftspartner aussuchen, die am besten zu uns passen, und uns mit ihnen zusammenbringen. Uns eine Liste vorgefertigter Phrasen liefern, mit der wir im Gespräch punkten können.

Die Kehrseite dieser Medaille ist klar: Bei einer so tiefen Transformation, getrieben durch Connectivity, Daten und Algorithmen laufen wir Menschen Gefahr, unseren freien Willen aufzugeben. Wir liefen sprichwörtlich Gefahr, dass die Maschinen uns kontrollieren, und nicht wir die Maschinen.

Im equally scared and excited about the possibilities.Gemma Mortensen
(More in Common)

Es ist noch nicht sicher, wie viele und welche Aspekte unseres lebens durch Maschinen verändert oder übernommen werden könnten. Aber bei den vielen Anwendungsmöglichkeiten künstlicher Intelligenz werden wir aufpassen müssen, nicht die Essenz dessen zu verlieren, was uns zu Menschen macht.

 

Relationships

Die Welt verändert sich nicht (mehr) linear

In einer Welt der technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen müssen wir über Beziehungen reden – und zwar nicht mehr nur Beziehungen zwischen Menschen, sondern zwischen allem. Martin Reeves, Simon Levin und Daichi Ueda von BCG leiteten eine Session über unsere Denkmuster, zu der sie auch einen korrespondierenden Blogpost veröffentlichten: Think Biologically: Messy Management for a Complex World.

Wenn wir uns die wachsende Zahl möglicher Beziehungen anschauen – endlose, interdependente Prozesse , die auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig und in Echtzeit stattfinden – können wir mit linearem Denken überhaupt noch relevante Zukunftsprognosen produzieren? Und: Müssen wir versuchen unsere Definition von Wachstum neu zu formulieren? Weg von einem Blick auf mechanische bzw. wirtschaftliche Entwicklungen, hin zu einer eher biologischen Bedeutung? Wenn wir Wachstum als qualitativen Begriff verstehen, der multidimensional mit allen Facetten unserer Kultur, Umwelt und Arbeit verbunden ist, könnten wir viel positivere Ergebnisse erzielen, wenn wir darauf hinarbeiten, als mit der derzeitigen, eindimensionalen Definition.

 

HR, New Work and the psychology of people

Von Menschen, mit Menschen, für Menschen

Was ist schon“Beautiful Business“,  wenn die Menschen, die daran beteiligt sind, es nicht genießen können? Eine Arbeitswelt, die auf Kreativität und Lernen ausgerichtet ist, hat zwei wichtige Treiber:

Die unternehmerische Seite

Seid kreativer!

Kreativität wird immer mehr zum Asset in Unternehmen. Nur kreativsten Unternehmen werden überleben, lautet die Prognose für unsere sich wandelnde Ökonomie. Man muss auf Veränderungen reagieren können, sowohl neue Märkte erschließen als auch neues Kundenverhalten mit einbeziehen. Kreativität wird damit zum Imperativ.

Die humanistische Seite

Du *bist* kreativ!

Die humanistische Seite dreht das Spiel um: Plötzlich sind wir alle von Natur aus fähige Schöpfer neuer Ideen. In jedem von uns steckt, ein Leader, ein Schöpfer, ein Künstler, der darauf wartet, befreit zu werden. Wenn wir nur einen Raum öffnen könnten und die wilden und farbenfrohen menschlichen Wunderblumen voll erblühen lassen könnten: Wir hätten ein schönes Blumenarrangement.

Wie auch immer Ihre Perspektive, egal ob Humanist, Geschäftsmann oder eine Mischung aus beidem, es scheint, dass die Kernbotschaft für beide Seiten durchkommt: Um voranzukommen, muss eine Organisation in all ihren Teilen, mit ihren Gewohnheiten und ungeschriebenen kulturellen Regeln, höchstwahrscheinlich mit einigen tieferen menschlichen Qualitäten in Verbindung gebracht werden – wahrscheinlich auf mehr als einer Ebene. Wenn wahre Bereitschaft und die Fähigkeit, sich zu verändern und zu transformieren, das Ziel sind, dann betrachten wir die Spitze von Maslows Bedürfnisspyramide.

Wenn unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind, entwickeln wir die Fähigkeit und den Impuls, uns selbst zu verwirklichen.

Wenn es darum geht, eine Kultur der Transformation zu erreichen, müssen wir also auch das Fundament der Pyramide beachten: Denn, wenn das nicht gedeckt ist, können Menschen auch nicht kreativ sein. Andererseits geht auch viel Potenzial verloren, wenn Menschen, die ihre Bedürfnisse befriedigt haben, immer noch glauben, sie müssten ihre Basis weiter ausbauen. Zukünftige Organisationen werden ihren Stakeholdern – Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern – dabei helfen wollen, ihr bestes, bewusstes und nützliches Selbst zu finden und einzubringen.

Purpose and Human-Centricity

Warum wir Dinge tun

„Purpose“, also der Sinn von Handlungen und ein Fokus auf den Menschen waren immer wiederkehrende Themen in den vielen Diskussionen über menschliches Handeln. Es scheint, es brauche hehre Ziele, um Menschen wirklich für ihre Arbeit zu motivieren, so dass sie Stolz und Verantwortungsbewusstsein entwickeln. Leider ist eine solche Richtung selbst in einer Zeit so reich an Möglichkeiten wie der unseren nur selten vorgegeben. Das Resultat heißt für viele: Burnout oder Bore-Out und frustrierte Mitarbeiter, die ob ihrer Umstände mindestens einen guten Coach bräuchten – wenn nicht sogar einen Psychotherapeuten.

„Warum tun wir, was wir tun?“ Das ist eine Frage, die es sich für jeden und in jeder Situation zu beantworten lohnt. Manchmal ist die Antwort sogar gar nicht weit entfernt oder nebulös. Man arbeitet an Projekten, die „das Richtige“ für einen Sinn, und muss nur einmal den Sinn ausformulieren. Manchmal führt die Frage aber auch dazu, dass man erkennt: Vielleicht ist die eigene Laufbahn gar nicht die Richtige. Obwohl diese Erkenntnis auch Furcht einflößen kann: Es ist nie ein Fehler, die Frage nach dem Warum zu stellen; denn nur, wenn wir den wahren Wert unserer Arbeit erkennen, können wir auch langfristig erfolgreich und erfüllend arbeiten.

 

beautiful business

Was *bedeutet* Beautiful Business?

Die Frage wurde zwar nicht explizit diskutiert; und auch im manifesto of beautiful business finden wir keine konkrete Antwort darauf. Aber intuitiv wissen wir, dass es in einer Welt der Transformationen nicht mehr nur um mechanische Logiken des Profits gehen kann. Nur Profit und Purpose zusammen bieten einen guten Nährboden für ein Wachstum, das mit Bedacht neu definiert werden muss. Respekt- und liebevolle Beziehungen zur Welt und zu unseren Mitmenschen scheinen zudem in der Zukunft eine Schlüssel-„Strategie“ zu werden – und sollten eigentlich auch in der Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn wir auf Partner, Mitarbeiter oder Kunden treffen: Treffen wir sie als Menschen und können sie als diejenigen respektieren, die sie sind? Können Unternehmen, die ja auch soziale Orte sind, in denen wir viel Zeit verbringen, zu Orten werden, wo nicht über Prozesse „Wert“ aus uns extrahiert wird, sondern wo wir aufgrund echter Beziehungen zu unseren Kollegen Werte schaffen? In diesem Sinne besteht auch eine Chance darin, das Effizienzparadigma an die Maschinen auszulagern: Denn dann könnten wir uns bei der Arbeit wieder stärker auf Mitgefühl, Freundlichkeit und Respekt konzentrieren.

Mein persönliches Schlüsselzitat der Veranstaltung:

You can’t rely on being solely one thing. You need to become multifaceted.Martin Wezowski

 


 

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Mehr zum House of Beautiful Business

Hier ist eine Liste von weiteren Eindrücken zur Veranstaltung, die andere auf ihren Blogs geteilt haben:
The Human Future of Business: Hints for Future Gazers von Martin Reeves (BCG), Léa Steinacker (WirtschaftsWoche), and Tim Leberecht (HoBB)
Can Robots Teach Us How to Be Human? von Moulsari Jain (Artists Are Among Us)
In the Shadow of the House of Beautiful Business von Jonathan Cook
The Future of Business Growth von Sophie Devonshire (Caffeine)
How Future Technologies Enable a Human Era of Work by Soulworx
Next Startup: Humanity von Ethan Imboden (frog)
Ein Review mit jeder Menge Testimonials auf der Website der Veranstaltung