Evolution vs. Revolution im Zukunftssalon: Disruption, Koyoten und neue Geschäftsmodelle

Disruption, Koyoten und neue Geschäftsmodelle im Zukunftssalon

Bild: Workshop beim Iconstorm Zukunftssalon
Beim zweiten Zukunftssalon in den Iconstorm Büros diskutierten wir disruptive Geschäftsmodelle. Beobachten wir die Revolution von Branchen oder deren Evolution?

Der Disruption ihres Geschäftsmodells sind heute auch große Unternehmen ausgesetzt. Und viele Marktführer scheitern sogar daran.  Am 7. Dezember 2017 diskutierten wir beim zweiten Iconstorm Zukunfssalon mit Gästen aus verschiedenen Branchen und Professionen, ob man sich anbahnende Disruptionen frühzeitig erkennen und sich strategisch dafür wappnen kann. Der Zukunfssalon ist ein lockeres Veranstaltungsformat, bei dem wir richtungsweisende Design- und Business-Themen zur offenen Diskussion stellen. Egal welche Branche und egal welcher Hintergrund: Jeder ist eingeladen teilzunehmen und mitzureden. Neben einer Kombination aus Talks, Workshop- und Diskussionsrunden erwarten wir unsere Gäste an diesen Abenden auch mit Häppchen und Wein.

Das Thema des zweiten Zukunftssalons: Revolution vs. Evolution im Zukunftssalon. Was lernt die klassische Strategie von neuen Geschäftsmodellen?

Wir erlebten eine angeregte Diskussion, deren wichtigste Take-Aways wir in diesem Post kurz zusammenfassen wollen. Als Speaker konnten wir dieses Mal Olaf Seemann gewinnen. Olaf ist studierter Diplomingeneur für technische Informatik. Er gründete 2004 mit seinem Partner die Dangelmayer & Seemann GmbH mit Schwerpunkt Transformationsberatung und ist bis heute als Geschäftsführer der Gesellschaft aktiv. Mit kurzen Impulsvorträgen führten er und Felix uns in die Fragestellung des Abends ein.

Evolution oder Revolution?

Disruption von Geschäftmodellen

Disruption – das in den letzten Jahren wohl eines der Buzzwords in der Wirtschaft. Wir beobachten, wie neue Geschäftsmodelle ganze Branchen aufwirbeln, altgediente Unternehmen fast überflüssig machen. Bei jeder Innovationskonferenz bekommen wir die Erfolge der Amazons, Ubers und Airbnbs um die Ohren gehauen, während wir uns bereits jetzt wieder die Frage stellen, was autonome Fahrzeuge und Google für eine Automobilbranche bedeuten könnten.

Aber was genau beobachten wir eigentlich bei einer „Disruption“?

Dieser Frage näherten wir uns mit den Impulsvorträgen von Olaf und Felix an. So stellte Olaf die These auf, dass viele neue Produkte, die Disruptionen auslösen, an sich gar nicht so revolutionär sind. Das machte er an einem legendären Beispiel deutlich: Selbst das iPhone war nur ein weiterer Schritt in der Evolution der Mobiltelefone, die auch schon vorher Screens besaßen oder internetfähig waren. (Das erste Nokia-Smartphone wurde sogar bereits sieben Jahre vor dem iPhone entwickelt. Es wurde nur nicht vermarktet.)

Für Apple war das ein logischer, wenn auch genialer Schritt. Es war eine Evolution des eigenen Geschäfts, die allerdings in vielen anderen Branchen zu großen Veränderungen führte. Olaf zeigte uns, auf welchen Ebenen Unternehmen diese zu spüren bekommen. Das kann beispielsweise auf Nutzerseite geschehen: Warum nutzen Menschen lieber Airbnb als herkömmliche Hotels? Warum bestellen Sie einen Uber statt eines Taxis? Welche Gewohnheiten liegen dem zugrunde? Produktseitig ermöglichen Smartphones viele Anwendungen, die vorher nicht denkbar waren. Ob das alte Produkt in neue Services eingebettet wird oder völlig neue Produkte auf einen Markt kommen. (Man denke zum Beispiel an Messenger vs. SMS.) Aber die Nutzung von mobilen Endgeräten verändert auch Organisationen. Neue Kommunikationsformen und neue Interaktion mit Technik bedeuten auch neue Erwartungen von Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen. Das stellt oberflächlich traditionelle Unternehmensbereiche wie die Customer Relations, aber auch die gesamte Kommunikation und Kultur in vielen Unternehmen vor neue Herausforderungen.

Das Besondere an Disruption ist, dass neue Herausforderungen durch Entwicklungen von außen an Unternehmen herangetragen werden. Autonome Fahrzeuge wurden nicht durch Autohersteller möglich gemacht, Plattformen wie Airbnb nicht von großen Hotelketten erdacht.

Von Koyoten und Schwerkraft

Disruption kann gerade für große Unternehmen eine Gefahr sein

Der Hauptteil des Salons wurde durch eine lebhafte Debatte darüber bestimmt, woran Unternehmen eigentlich rechtzeitig potenziell disruptive Entwicklungen erkennen können. Dafür nahmen die Gäste zunächst das normale Verhalten großer Unternehmen unter die Lupe.

Wenn wir den Lebenszyklus von Unternehmen betrachten, entwickeln sich diese grundsätzlich evolutionär. Sie starten mit einem Produkt, auf dem sie aufbauen und das bestenfalls so erfolgreich wird, dass es das Unternehmen trägt. Im Produktlebenszyklus erreicht dieses dann irgendwann ein Plateau; der Markt ist gesättigt, der Umsatz geht wieder zurück. Für das Unternehmen bedeutet das, es muss innovativ sein und ein neues Produkt einführen, das erfolgreich genug ist, um wieder für Wachstum zu sorgen.

Dabei kann das Unternehmen auf bereits gemachten Erfahrungen aufbauen: Wenn ich zum Beispiel bereits ein gutes Auto gebaut habe, ist es in der Regel einfacher, ein noch besseres in Serie zu bringen, als plötzlich – sagen wir – Kleiderschränke zu produzieren. Die Einführung des neuen Modells erzeugt wieder Nachfrage und ich schreibe wieder bessere Zahlen. Eine weitere Möglichkeit, die mir offensteht, wäre es im Übrigen, dasselbe Auto effizienter zu bauen, zum Beispiel Material günstiger zu beschaffen oder durch modernere Werke an Personalkosten zu sprac

Die größten Unternehmen schaffen es durch ständige Optimierung, in ihrer Branche scheinbar unangefochten zu bleiben.

Sie wirken, als seien sie Selbstläufer, können sogar neue und teilweise alte Konkurrenten einfach aufkaufen. Doch auf diesen scheinbaren Automatismus darf man sich nicht verlassen, machte uns Felix in seinem Impulsvortrag klar. Denn, wenn man sich nur auf die eigene Branche konzentriert, läuft man Gefahr, äußere Entwicklungen, die das eigene Geschäft tangieren können, nicht mitzubekommen, bevor es zu spät ist. Er illustrierte das am Beispiel des berümt-berüchtigten Wile E. Coyote aus den Road-Runner Cartoons. Der hat die Angewohnheit, mit hohem Speed über Abgründe zu rennen. Dabei bemerkt er lange nicht, dass er nicht mehr auf festem Boden steht, und schwebt für eine Weile in der Luft. Bevor er abstürzt.

Wile E. Coyote gegen die Schwerkraft.

Kurvendiskussion im Zukunftssalon

Disruption heißt: Marktbedingungen verändern sich schlagartig – aber nicht von heute auf morgen

Wile E. Coyote bemerkt bei seinem Absturz zu spät, dass sich seine Situation grundlegend verändert hat. Genau dasselbe passiert in vielen Branchen, die plötzlich durch neue Geschäftsmodelle oder Produkte obsolet werden. Wir haben das in der Geschichte schon oft beobachtet: Pferdekutschen wurden von Autos abgelöst. CDs wurden durch die MP3 von der Massenware zum Luxusgut. Die Zeitungen gerieten durch das World Wide Web in Bedrängnis. Im späteren Teil des Abends analysierten wir, warum diese Disruptionen eigentlich so schlagartig auftauchen. Aber auch, dass sie eigentlich nicht von heute auf morgen passieren.

Evolution und Revolution

So könnte es wiederum auch für Autohersteller zum Problem werden, wenn eine Firma wie Google plötzlich versucht, autonome Autos zu bauen. Wenn erst Bedingungen herrschen, die dessen Massenproduktion und Vermarktung zulassen, wird es einige Branchen stark verändern. Eine Revolution. Das kann für viele traditionelle Branchenteilnehmer nicht weniger als das Aus bedeuten.Doch die gute Nachricht ist, dass die Entwicklung dieser Autos für ein Unternehmen wie Google eine ganz logische Weiterentwicklung des bisherigen Business ist. Eine Evolution. Und die kann man bereits jetzt beobachten, sich für ihre Folgen entsprechend aufstellen.

Wer auch immer damals Pferdekutschen gebaut hat, war nicht in der Lage gegen das Auto zu konkurrieren. Da Pferdekutschen den ersten Autos noch weit überlegen waren, sah man wahrscheinlich nicht die Notwendigkeit, sich entsprechendes Know-how aufzubauen, um selbst Autos herzustellen. So konnte man sozusagen den Sprung von der eigenen Kurve, auf der sich das Unternehmen entwickelte, auf die Kurve  der Automobilhersteller nicht bewältigen.

Was werden autonome Fahrzeuge für traditionelle Autohersteller bedeuten? Oder noch drastischer: Was bedeuten sie für Logistikunternehmen, Taxifahrer und Co?

Wie können sich Unternehmen disruptiven Entwicklungen stellen?

Diese Frage konnten wir natürlich nicht abschließend beantworten, aber wir sammelten bereits einige Anhaltspunkte, die Unternehmen im Auge behalten sollten. So ist es wichtig, aktiv Trends, die das eigene Geschäftsmodell tangieren könnten, zu finden und deren Entwicklung zu beobachten. Das bedeutet allerdings die Investition von Geld, Zeit oder beidem. F&E dürfen damit nicht als Beiwerk oder Kostenpunkt betrachtet werden, selbst wenn viele Versuche mit neuen Produkten scheitern. Das wiederum erfordert die Entwicklung einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur. Und Agenturen wie unsere kann man auch konsultieren, wenn man beim Blick über den Tellerrand externe Hilfe benötigt.

Das alles ist natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Wirtschaft bewegt sich heute so schnell, dass auch uns die Frage noch lange beschäftigen wird. Vielleicht auch als Thema für einen weitere Zukunftssalon. Wir danken auf jeden Fall allen für’s Kommen und die rege Beteiligung an der Diskussion, Olaf für seinen interessanten Vortrag sowie Tim und Felix aus unserer Agentur für die Organisation des Abends. Und wir freuen uns auf das nächste Mal!